Bezirksgeschichte

Haus Steiner

Ein freistehendes Einfamilienhaus von Adolf Loos in der St.-Veit-Gasse mit gewölbtem Dach und außergewöhnlicher Fassade.

Die 1910 geltenden Bauvorschriften für das Hietzinger Villenviertel besagten, daß die Häuser straßenseitig nur ein Geschoß über Niveau aufweisen durften. Über dem Erdgeschoß, äußerstenfalls über dem Hochparterre, mußte sich die Dachzone befinden, die maximal eine Mansarde beinhalten sollte.



Wegen des Wunsches der Auftraggeber nach einer Vielzahl von Räumen stand Loos vor der Aufgabe, ohne Verletzung der Bauvorschriften ein Maximum an Raum zu gewinnen. In seiner Lösung wirkt die Straßenfassade eingeschoßig, denn über dem Hochparterre wölbt sich bereits das beachtlichen Raum bietende, halbtonnenförmige Blechdach mit großem Mansardfenster. In diesem Dach befinden sich zwei Geschoße, wobei vor allem das oberste, für Wirtschaftsräume genützte, eine relativ geringe Raumhöhe aufweist (Parterre 3,20 m, 1. Stock 3,15 m, 2. Stock 2,10 m).



Im zweiten, fast zwei Drittel der Fläche umfassenden gartenseitig gelegenen und durch ein Holzzementdach flach gedeckten „Teil” des Hauses wurden diese Geschoßebenen unverändert durchgezogen. Dadurch ist hier die tatsächliche Dreigeschoßigkeit des Gebäudes unmittelbar ablesbar.

Die ausgewogen proportionierten Fenster sind vor allem im obersten Geschoß an der Gartenfront nicht unterteilt; die sonst bestehenden Fenstergliederungen sind sehr sparsam ausgeführt. Sie erinnern an die Fenstergestaltung innerhalb der oberen Fassadenzone des 1910/11 entstandenen Geschäftshauses Goldman & Salatsch am Michaelerplatz bzw. lassen bei den querrechteckigen Fenstern an der Straßenseite an japanische Einflüsse denken.



Loos gelang mit dem freistehenden Haus in der St.-Veit-Gasse (Grundfläche rund 13,5 m x 14,5 m) trotz einengender Bauvorschriften und trotz der Unterschiedlichkeit der beiden Bauteile ein geschlossen wirkender Baukörper. Allerdings scheint hier die gängige Auffassung von einer gegenüber dem öffentlichen Bereich eher abgeschlossen wirkenden Straßenfassade und einer dem privaten Bereich sich öffnenden Gartenfassade umgekehrt: Die Gartenseite vermittelt eine – auch durch ihre Dimensionen bedingte – fast abweisende Strenge, während die zur Straße gewandte Seite geradezu einladend wirkt. Trotzdem stand Loos in beträchtlichem Gegensatz zu den Vorstellungen der Baubehörde, die er 1914 in einem Aufsatz kritisierte: „Erst in diesem sommer wurde der bau eines familienhauses in Hietzing von der kommission laut protokoll mit folgenden worten zurückgewiesen: Die Fassade läßt malerische Ausgestaltung vermissen, wie dies in dieser gegend durch Anbringung von Dächern, Türmchen, Giebeln und Erkern zu geschehen pflegt. Wegen dieser mängel wird die Baubewilligung nicht erteilt.“



Neben der vor allem durch die gewölbte Form des Daches außergewöhnlichen Straßenfassade (sie wurde 1954 stark verändert und konnte 1994 dem Originalzustand entsprechend renoviert werden) ist die von Loos hier angewandte „Einraumidee“ bemerkenswert: Der im Hochparterre und gegen Osten liegende, mit Spiegeleiche vertäfelte Wohnraum (4 m x 12,6 m) reicht von Seitenmauer zu Seitenmauer. Die beiden ohne Bezug zur Symmetrie des Raumes gesetzten Eingänge von der Küche und der Diele sind jeweils nur nach mehrmaligen Wendungen über einen Gang erreichbar und relativ schmal; sie verhindern ein unmittelbares und ohne „Vorbereitung” erfolgendes Betreten des Wohnraumes. Dieser war nur durch Zwischenvorhänge, die an den markanten Deckenbalken aus Holz hingen, unterteilbar. Er wurde als Musik-, Sitz- und Eßzimmer genutzt. Im Eßbereich befindet sich ein nach Norden gerichtetes, feingliedriges vierteiliges Fenster, das in einem schwach vortretenden Mauerstreifen sitzt. Durch eine große Mitteltüre im Wohnraum gelangt man zu einer Terrasse, von der links und rechts Stiegen in den Garten führen. Die Originalbeleuchtung der Terrasse konnte im Zuge der Renovierung rekonstruiert werden. Ursprünglich erreichte man die Terrasse durch eine relativ schmale, aus der Mittelachse geschobene Türe – wieder ein Zeichen für die feine Abweichung von der auf den ersten Blick streng symmetrisch erscheinenden Konzeption des Grundrisses.

Die beiden zum Garten gerichteten Erker des Wohnraumes bilden an der rückwärtigen Fassade einen Teil der risalitartigen Vorsprünge des Baukörpers. In ihnen waren im Zusammenhang mit dem Wohnraum ein durch ein Glasschiebefenster abgetrennter Wintergarten bzw. eine mit dem Kaminverbau zusammenhängende Sitznische untergebracht.



Die ebenfalls im Hochparterre liegende Diele besitzt einen gegen Süden gerichteten Erker mit eingebauten Bücherkästen, den eine Sitznische einschließenden Stiegenaufgang in das erste Obergeschoß sowie einen ebenfalls nach Süden gerichteten Schreibplatz vor einem schmalen Fenster. Außerdem weist der „Straßentrakt“ im Hochparterre die Küche, zwei Wirtschaftskammern und einen Vorraum auf, der zu dem mittig angelegten Stiegenabgang in den Vorgarten führt.



Von der Straße kommend, bildete ehemals die mit Oberlichten versehene Wand des Vorraumes gleichsam eine schützende Barriere, und man gelangte nur nach einer Linkswendung in die Küche bzw. über eine Wendung nach rechts in die Diele. Eine solche „Barriere” fand sich ein zweites Mal in dem als Gang ausgebildeten und schon erwähnten Eingangsbereich in den Wohnraum. Diese „umständlichen” Wegführungen verhinderten auf raffinierte Weise die abrupte und direkte Aufeinanderfolge von unterschiedlichen Raumbereichen und führten durch ihre logische Abfolge zu einer Steigerung des Raumerlebnisses.



Im ersten Obergeschoß waren vor den im Laufe der Zeit durchgeführten baulichen Veränderungen zwei Schlafräume mit dazwischenliegendem Bad, das Kinderzimmer, ein Dienstbotenzimmer sowie das Atelier der Malerin Lilly Steiner untergebracht. Im zweiten Obergeschoß befinden sich Wirtschaftsräume. Zwischen erstem und zweitem Obergeschoß ist ein mit Hand zu bedienender Aufzug u. a. für Wäsche eingebaut.



Im Souterrain liegen die Garage, der Heizraum sowie Kellerräume. Ursprünglich war hier auch eine Hausbesorgerwohnung mit eigenem Zugang. Eine Wendeltreppe verbindet alle Geschosse.



Diverse Einrichtungsgegenstände, z. B. die weiß lackierten Einbaumöbel im ersten Obergeschoß, wurden von Loos selbst entworfen. Sie sind ebenso erhalten wie die Eichenverschalung und die Deckenunterzüge im Quergang und in der Diele des Hochparterres, die eingebauten Bücherregale in der Fensterlaibung der Diele und die offene Treppe mit Geländer und in die geschwungene Wange eingebauter Sitzbank.

Das Haus steht seit 1996 unter Denkmalschutz.

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