Nahversorger

Die neue Rowling ist gut weil sie böse ist

Robert Streibel schreibt über das neue Buch der Kultautorin J.K. Rowling.

o schön war die Welt der Zauberer und Hexen und so einfach schien die Welt geteilt in Gut und Böse, dazwischen ein paar Drachen. Die Regeln dieser fremden Welt zu erkunden glich einem Abenteuer und da es nicht nach einem Band zu Ende war, verlieh es eine Kontinuität über Jahre. So schön war die Welt von Hogwarts und jetzt das. Bevor ich über das neue Buch von J.K. Rowling schreiben möchte sind einige notwendige Erklärungen notwendig. Ich gestehe, ich bin zwar am Bahnsteig 9 ½ gestanden, habe aber das Ticket für die Reise zu und mit den 7 Bänden nicht gelöst, nicht weil ich es nicht lesen mochte, ich war mit der normalen Welt vielleicht zu viel beschäftigt, Kinokarten habe ich gelöst und mich überdies an der Begeisterung der Tochter und ihrer Cousine erfreut. So weit so unkompliziert mein Verhältnis zur Autorin.

J.K. Rowling ist nicht auf mich als Verteidiger angewiesen, das ist mir klar, und da ich den Roman auf Englisch gelesen habe und das nicht meine Muttersprache ist, hält sich mein Entsetzen über derbe Flüche und Sexualanspielungen in Grenzen.

Gerüchte entfalten ein Eigenleben und sind schneller als jeder Virus. Kaum war das neue Buch „Casual Vacancy/ Plötzlicher Todesfall“) auf dem Markt hörte ich in den Medien und von Menschen, es sei eine Enttäuschung und der Hype der Vermarktung sei übertrieben und werde sich außerdem diesmal nicht einstellen. Wir lieben die Reichen, Schönen und Prominenten, aber wir lieben es, wenn es ihnen heimgezahlt wird, nicht nur das haben wir mit den BewohnerInnen von Pagford gemeinsam. Die Rowling ist Millionärin und schreibt über die sozialen Probleme einer englischen Kleinstadt namens Pagford mit einer ungeliebten Trabantensiedlung, wo Alkohol, Arbeitslosigkeit und Drogen zu Hause sind. Und außerdem werde im Buch geschimpft und geflucht und es gäbe Sexszenen auf dem Friedhof.

Ich liebe die Engländer weil sie fluchen und gleichzeitig so schrecklich dezent sind. Ständig wird betont, dass es sich um einen Erwachsenenbuch handle und es nicht geeignet für Kinder sei und bei der Buchpräsentation bat der Moderator dann ab einer gewissen Stelle bei der Lesung die Kinder den Saal zu verlassen. Auch manche RezensentInnen sind wie Kinder und können sich über die Sprache entrüsten. Da wird geflucht und gefickt. Sie sehen ich bin angesteckt und habe nicht drei Punkte nach dem f gemacht. Nicht weil es schick ist zu fluchen, aber wir leben in einer sonderbaren Welt, wenn schon die soziale Unterschicht die Outcasts eine Bühne bekommen sollen, dann sollen sie sauber sein und schön sprechen, dann vielleicht wollen wir sie haben, wenn überhaupt. Wie schön wäre es doch, wenn die Autorin doch die magischen Möglichkeiten des Erzählens auch in der grindigen, heruntergekommen Siedlung der Fields zur Anwendung brächte, wenn der Kampf von Gut und Böse und den dunklen Mächten auch den Alltag überlagern würde, es wäre so schön und ein bisserl dürfte sie dann schon fluchen lassen.

Eine Verteidigungsrede mit Vorbemerkungen. Richtig sie haben es gemerkt, aber ich will mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg halten. Ich stehe nicht an zu sagen, dass ich die neue Rowling nicht nur gelesen, sondern auch von diesem Buch fasziniert war, von der Konstruktion der Geschichte wie auch vom Thema. Die kleine bürgerlich behütete Siedlung Pagford muss mit dem Krebsgeschwür, so würde es sicherlich der Delikatessenhändler nach ein paar Gläschen nennen, der Sozialsiedlung Fields leben, nachdem ein Stück Land eines Schlosses verkauft und die nahegelegene Stadt genau dort diese billigen Wohnhäuser errichten ließ. Dazu kommt dann noch eine Drogenklinik und die Gemüter sind geheizt wie englische Kamine. Sicher nicht nur in England. Fields gibt es überall. Es ist eine hübsche kleine Modellsiedlung die Rowling da hingestellt hat, sie erinnert mich an meine Eisenbahn mit den Faller Häuschen, dem Fluss, ja auch ein Fluss wird am Ende eine Rolle spielen. Die kleinen Straßen und am Abend sind die Häuser beleuchtet von innen mit kleinen Lämpchen, alles ist niedlich, ist auch klar, denn es ist eine Kulisse.

Bei Rowling beginnt die Kulisse zu leben und das Personal in diesem Modellstädtchen ist ein zwei Lager getrennt in jene, die Fields am liebsten abgetrennt wissen möchten und im Gemeinderat dafür plädieren, die Siedlung an die Nachbarstadt zurückzugeben und die Drogenklinik zu schließen und jene, die sich für Fields einsetzen. Ist doch alles klar, Gut gegen Böse nur eben ohne Zauberer. Manche Kritiker haben fast Schaum vor dem Mund gehabt, weil hier Gesellschaftskritik betrieben wird und alles nach „old Labour“ rieche. Doch haben sie dasselbe Buch gelesen wie ich?

Wir haben nicht Rowling gebraucht um zu wissen, dass wir mit dem Gegensatzpaar von Gut und Böse im Alltagsleben nicht auskommen, vielleicht kann man mit diesen Parametern ein guter amerikanischer Präsident werden. Vielleicht haben wir Rowling aber doch gebraucht, denn der Wunsch nach Gut und Böse ist häufiger anzutreffen als wir zu glauben meinen. Die einfachen Lösungen, die Klinik zu schließen und die Kinder der Fields sollten einfach nicht mehr in den Schulen der Guten und Anständigen zu finden sein und beim Vorbeifahren einfach nicht den Blick nach rechts zu wenden und schon ist alles wieder gut, wird ignoriert und wenn es nicht anders geht, könnten wir ja auch eine Mauer aufstellen.

Die neue Rowling ist gut, weil sie böse ist und die Konstruktion des Buches hat es in sich. Mit dem Tod des Gemeinderates Barry Fairbrother, der sich für die Fields eingesetzt hat gerät das Leben in Pagford, dem Musterstädtchen auf die schiefe Bahn, alles gerät zu einem Horrortrip, der ärger ist als von jedem Zauberer herbeigeführt. Alles klar? Keineswegs. Die Gutmenschen um Fairbrother und die pakistanische Ärztin Parminder führen einen aussichtslosen Kampf um die Integration. Wenn es nur so einfach wäre, Rowling macht es den Lesern nicht einfach, denn die Guten sind nicht Gut und die Bösen nicht Böse. Die Guten sind so gut, dass sie ihre Kinder vergessen und jeder hat in seiner Biographie einen wunden Punkt oder gar einen Keller. Und die anonymen Anschuldigungen, die sich auf der website der Gemeinde gezeichnet „Der Geist von Barry Fairbrother“ finden, sind nicht vom politischen Gegnern,, sondern stammen aus der Feder der vernachlässigten Kinder der „Guten“. Natürlich ist es ein bisserl viel was sich da ansammelt in so einer kleinen Stadt, alles geballt, von Kindern die sich aus Verzweiflung ritzen, von einer drogensüchtigen Mutter und ihrer Tochter Krystal, die von Fairbrother und seinen Mitstreitern als positives Beispiel aufgebaut wird, von hilflosen Sozialarbeitern, von der bürgerlichen Fassade, wo eine lesbische Tochter keinen Platz hat, von Bullying mit Hilfe von Facebook, von einem pädophilen Schuldirektor.

Krystal, die Vorzeige-Bewohnerin der Fields, auf die nicht nur Fairbrother gesetzt hat, eignet sich letztlich nicht als Beispiel für geglückte Integration, sie ist am Schluss so tot wie ihr kleiner Bruder Robbie und ihr Mentor.

Alles wäre nicht so gekommen, wenn Barry Fairbrother nicht gestorben wäre. Das Fehlen des guten Menschen. Das ist doch eine weitere Zumutung von Rowling, die uns glauben macht, dass es wirklich so sein könnte, dass einer das Leben nicht verbessern aber vielleicht ein bisserl besser machen könnte. Das schmeckt fast nach Dickens. Auch Fairbrother hätte für kein Happy End sorgen können. Veränderungen und Integration von Sozialdeklassierten sind schwerer erkämpft als die Ausgrenzung zu praktizieren. Erfolge kann es aber nur geben, wenn die, für die Politik gemacht wird auch ernst genommen und gehört werden. Eine Stellvertreterpolitik - wie sie Labour und die Sozialdemokratie gerne praktizieren - hat dabei ihre Grenzen. Fairbrother hat es versucht und winzige Erfolge erzielt. Die Illusion vom guten Menschen und die Illusionslosigkeit der Situation, die kann man Rowling nicht verzeihen. Das ist schlimmer als jeder Folterkeller.

Robert Streibel
Direktor der Volkshochschule Hietzing

Robert Streibel, Historiker, Publizist, Direktor der Volkshochschule Hietzing

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